Experten für mehr Verkehrskontrollen, Bürger auch

Österreich soll in Sachen Verkehrssicherheit unter die Top Five Europas gelangen. Davon ist man noch weit entfernt. Mehr Überwachung und Tempo 80 auf der Landstraße fordern Experten. Die Politik winkt aber ab

Wien, 11. November 2013 – Österreichs Unfallzahlen sinken zwar in der Langzeitentwicklung, im EU-Ranking belegt Österreich bei der Verkehrssicherheit aber nur Platz 16 – ausschlaggebend dafür ist die Zahl der Verkehrstoten pro Million Einwohner. 2011 starben 523 Menschen im Straßenverkehr (2012 waren es 531, aber die Berechnungsmethode wurde umgestellt).

Ziel des seit 2011 laufenden Verkehrssicherheitsprogramms des Verkehrsministeriums ist, dass es Österreich bis 2020 in puncto Sicherheit unter die Top Five Europas schafft. Außerdem soll die Zahl der Verkehrstoten halbiert werden. 1972 waren noch 3000 Menschen in Österreich bei Verkehrsunfällen gestorben.

Tempo 80

Trotz des historischen Tiefstands von 2011 fordert Sepp Snizek von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV) die Einführung von Tempo 80 auf Landstraßen und mehr Überwachung durch die Polizei, wie er bei einer Pressekonferenz sagte.

Für den FSV ist klar, wo man ansetzen sollte: Bei den Verkehrskontrollen, allem voran bei der Überwachung der Geschwindigkeit, die demnach insbesondere auf der Landstraße sinken sollte. Im Verkehrsministerium heißt es dazu, „die Straßen in Österreich sind sehr gut ausgebaut“, an Stellen, an denen niedrigere Geschwindigkeit mehr Sicherheit bringt, werde ja ein entsprechendes Tempolimit vorgeschrieben. Generell Tempo 80 auf Landstraßen sei kein Thema: „Die Geschwindigkeitslimits in Österreich haben sich bewährt“, heißt es dazu.

Bevölkerung dafür

Ein Mehr an Verkehrsüberwachung wäre laut einer Befragung von Wolfgang J. Berger vom Institut für Verkehrswesen an der Wiener Boku in der Bevölkerung gar nicht unpopulär: Bei der telefonischen Erhebung bei fast 2000 Personen (82 Prozent davon Autofahrer) gaben zwar 46 Prozent an, mit dem Ist-Zustand zufrieden zu sein. 45 Prozent meinten aber, dass der Verkehr in Österreich zu wenig überwacht wird. Nur neun Prozent sagten, dass es zu viele Kontrollen gibt.

Im Innenministerium weist man den Vorwurf, es gebe zu wenige Verkehrskontrollen, bei denen zudem laut FSV der den Beamten überlassene Ermessungsspielraum zu groß sei, zurück. „Die Zahlen sprechen für sich“, sagte ein Ministeriumssprecher. Der Statistik nach hat sich die Anzahl der geahndeten Geschwindigkeitsübertretungen in sieben Jahren nämlich beinahe verdoppelt: 2005 wurde zu hohe Geschwindigkeit demnach noch 2,5 Millionen Mal geahndet, 2012 war es 4,8 Millionen Mal.

Siebenmal so viele Alkotests

Die Zahl der Alkotests wurde in diesem Zeitraum sogar mehr als versiebenfacht: von rund 223.000 auf 1,64 Millionen. Entscheidend war die Einführung des Alko-Vortest-Gerätes, das mehr Kontrollen in kürzerer Zeit ermöglicht. Auf dem Gebiet der Alkotests sei viel passiert, stimmten auch die Experten zu. „Da hat sich auch das Bewusstsein in der Gesellschaft verändert“, bestätigte Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer vom Institut Sicher unterwegs.

Allerdings sei eine derartige Entwicklung in Bezug auf zu schnelles Fahren unterblieben. „Geschwindigkeitsüberschreitung gilt aber nach wie vor als Kavaliersdelikt“, sagt sie. Die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, sei ausschlaggebend für eine Änderung des Verhaltens, sagt Schützhofer. Mehr überraschende Kontrollen könnten da helfen.